Fried Stammberger, "Ohne Titel", 1991

Schwarze Formen, stellenweise in der Mitte geöffnet und mit einem satten Blauton unterlegt, ringen miteinander, ballen sich, umarmen sich und streben wieder auseinander. Dynamische Kräfte werden frei und ziehen die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich.

Fried Stammberger setzte sich zu Beginn der 1990er Jahre mit dem Thema "Gefäße" auseinander. Ihre Formen regten ihn an, um in verschiedenen Kompositionen das Spiel von Spannung und Gegeneinander auszuloten. Die eigentlichen Objekte traten dabei in den Hintergrund und dienten letztendlich als Anregung für die formalen Fragen und Lösungen.

Schon seit den 1950er Jahren beschäftigt sich der Rosenheimer Kulturpreisträger von 2007 mit der Technik des Holzschnittes und seinen spezifischen Ausdrucksformen. Vorbild waren für den renommierten Maler und Grafiker die Expressionisten und hier vor allem Ernst Ludwig Kirchner. Die auf kräftige Linien reduzierten, ausdrucksstarken Arbeiten des Brücke-Künstlers kamen dem Formwillen des ausgebildeten Keramikers entgegen.

Mit einer Pinselzeichnung auf Transparentpapier bereitete Stammberger diesen Holzschnitt vor. Dann pauste er die Hauptlinien auf zwei Druckstöcke durch, einen für das unten liegende Kobaltblau, einen weiteren für das überdruckende Schwarz, und schnitt mit den entsprechenden Holzschnittmessern die Formen frei. Schließlich fertigte Stammberger im Handabzug mit einem alten Falzbein aus Elfenbein auf Japanpapier die 30 Exemplare. Die Auflage ist deshalb ungewöhnlich hoch, normalerweise druckt der Franke nur vier bis fünf Blatt eines Motives, weil dieser Holzschnitt 1991 die Jahresgabe des Kunstvereins Rosenheim war. Beim fertigen Holzschnitt kann man die zugrunde liegende Pinselzeichnung immer noch in den wischerhaften Längsstrukturen erahnen.

Auf zwei Gebieten ist Fried Stammberger heute überregional bekannt, als freischaffender Künstler und als geschätzter Gestalter von Ausstellungen, Katalogen und - seit 40 Jahren - Macher des Werbeturmes vor der Städtischen Galerie Rosenheim. Dabei kann er aus den vielfältigen Grundlagen seiner Ausbildung und seines Berufsweges schöpfen.

Schon während seiner Lehrzeit in der Coburger Porzellanfabrik Cortendorf konnte sich Stammberger vertraut machen mit dem Modellieren, Zeichnen und Malen. Den Umgang mit Farbe sowie das Entwerfen von Buchstaben, Schneiden von Schablonen und das Übertragen auf die Wand hatte er auf der Berufsschule in der Malerklasse gelernt, da es keine Klasse für Keramiker gab.

Dann arbeitete der wissbegierige in München bei dem aus Lichtenfels stammenden Bildhauer Karl Potzler, später in Lichtenfels bei einer Siebdruckfirma und schließlich ab 1962 in der Schweiz, wo er bei großen Kaufhäusern in Luzern und Bern als Dekorateur tätig war. Bei der Gestaltung der Schaufenster schulte Stammberger seinen Sinn für Raum und die ansprechende Komposition und Präsentation von Objekten. Alles Fähigkeiten, die ihn heute noch als versierten Ausstellungsmacher auszeichnen. Im schweizerischen Biel hatte er damals bereits seine erste Ausstelllung eigener Werke.

Ab Ende 1968 lebte Stammberger mit seiner Familie, er hatte inzwischen Frau und zwei Kinder, in Hagen in Westfalen. Hier hatte seine Frau Renate am Theater ein Engagement als Koloratursopranistin und Fried Stammberger, für den sein künstlerisches Schaffen eigentlich im Mittelpunkt stand, musste wieder dem ungeliebten Brotberuf des Dekorateurs nachgehen.

Beide wollten weg aus dem Norden und so ergriff Stammberger im Herbst 1971 das Angebot eines Kaufhauses in Rosenheim, wo ein Dekorateur gesucht wurde. Von der Kunst allein konnte die junge Familie nicht leben. Den Chiemgau kannte und schätzt Stammberger, war er doch während seiner Lehrzeit oft wochenlang in Grassau, wo seine Firmenchefin seit 1943 ein bedeutendes Gestüt zur Zucht von Araberpferden und eine Dependance der Porzellanfabrik betrieb. Gertraude Griesbach hatte sein Talent für Pferde erkannt und so pflegte er immer wieder die edlen Tiere und ritt sie zu.

So kam also Fried Stammberger nach Rosenheim und ist hier seit 1978 als freischaffender Künstler tätig. Schnell erkannten Kulturreferent Dr. Eugen Weigl und Iris Trübswetter vom Kunstverein sein besonderes Talent für die Auswahl von Kunstwerken und deren überzeugende Hängung. So wurde er zum gesuchten Fachmann und gestaltete Ausstellungen in der Städtischen Galerie Rosenheim (u. a. Fritz Harnest, Wilhelm Neufeld, Karl Fred Dahmen, Hartmut Pfeuffer, Andreas Bindl und die Überblicksschau "KunstLandschaft Bundesrepublik"), beim Kunstverein Rosenheim und in München im Haus der Kunst ("Große Kunstausstellung" der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft). Im Lokschuppen prägte Stammberger mit seinem klar strukturierten Gestaltungskonzept und seiner typischen Handschrift die erfolgreichen Ausstellungen "Dali" (1990), "Dientzenhofer" (1991), "Prunkvolles Zarenreich" (1996) und "Afrikanische Kunst" (1997).

Neben seinen beruflichen Tätigkeiten als Juror und Ausstellungsmacher verfolgte der vielfach Ausgezeichnete (1979 Förderpreis der Stadt Rosenheim, 1988 Seerosenpreis der Stadt München, 1989 Preis des Kunstvereins Rosenheim) auch stets seinen eigenen künstlerischen Weg. Hier ist es vorrangig die Natur, die als Anregung für farbflächige, abstrahierte Bildkompositionen dient.

Dass Stammberger in Rosenheim mit Einzel- und Gruppenausstellung in der Städtischen Galerie, im Kunstverein und im Städtischen Museum geehrt wurde, erscheint nicht verwunderlich. Fast schon wehmütig könnte man werden, wenn man längst vergangene Stammberger-Ausstellungsorte im Verzeichnis findet: die Galerie Hiendlmeier beim Riedergarten, die Galerie in der Sparkasse unter Direktor Josef Miehle, die Galerie Galerico von Johannes Clerico in der Hafnergasse und den Irrlicht-Buchladen in der Innstraße. Tempi passati.

Dr. Evelyn Frick

 

Städtische Galerie Rosenheim, Depot. Inventarnummer 3124; Farbholzschnitt auf Japanpapier; Entstehungsjahr 1991; Auflage links unten "16/30"; Signatur rechts unten "Stammberger 91"; Blatt Höhe 63 Zentimeter, Breite 48 Zentimeter; weißer Holzrahmen Höhe 70,5 Zentimeter, Breite 53,5 Zentimeter; Erwerb 1991 aus der Jahresausstellung des Kunstvereins Rosenheim.

Literatur: Klaus Eberlein - Graphik und Keramik, Fried Stammberger - Bilder und Zeichnungen, Günther Weigel - Aquarelle. Einführung zu Stammberger Klaus J. Schönmetzler. Ausstellungskatalog Städtische Galerie Rosenheim 1982. Stuttgart - Rosenheim. Gruppenausstellung u. a. Fried Stammberger. Ausstellungskatalog Klimaraum Stuttgart und Kunstverein Rosenheim 1992. Fried Stammberger - 30 Jahre Malerei. Einführung Franz Hilger. Ausstellungskatalog Städtische Galerie Rosenheim 1995. Fried Stammberger - Parallel zur Natur. Einführung Andreas Kühne. Ausstellungskatalog Städtische Galerie Rosenheim 2007.

 

Fried Stammberger, "Ohne Titel", 1991 © Städtische Galerie Rosenheim

Fried Stammberger, "Ohne Titel", 1991 © Städtische Galerie Rosenheim