Ein gepflegter, älterer Herr sitzt bequem in einem angedeuteten Lehnstuhl. Er trägt einen dunklen Anzug und Krawatte, sein weißes Haar und sein Oberlippenbart sind akkurat gestutzt. Ein feines Lächeln umspielt seinen Mund, die Braue über seinem rechten Auge ist ein wenig hochgezogen. Freundlich und aufmerksam, doch auch abgeklärt und altersmüde wendet er sein Gesicht im Halbprofil den Betrachtenden zu. Das tonig gemalte, in gedämpften, dunklen Farbschattierungen gehaltene Bild unterstreicht die gesetzte Würde des alten Herrn. Das Porträt zeigt Max Bram (1855-1935), Oberlehrer aus München und erster Ehrenbürger des Stadt Rosenheim, im Alter von 77 Jahren.
Begeisterter Kunstsammler
Bereits in jungen Jahren begeisterte sich Bram im Münchner Umfeld für zeitgenössische Kunst und wurde zum leidenschaftlichen Sammler. Er war mit der Rosenheimerin Elise Oswald, Tochter des Kunstmühlenbesitzers Sebastian Oswald, verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos und so beschloss Bram, seine Sammlung der Stadt Rosenheim zu vermachen. Dass die Wahl gerade auf diese Stadt fiel, war einer Zeitungsnotiz in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ geschuldet, die im April 1904 von einer hiesigen Kunstvereinsgründung berichtete. Bram wollte den jungen Verein unterstützen und die Begeisterung für Kunst auch außerhalb der Residenzstadt München fördern.[1] Noch im selben Jahr vermachte er seine Sammlung, überwiegend Bilder von Malern der „Münchner Schule“, der Stadt, die ihn im Gegenzug im darauffolgenden Jahr, 1905, zu ihrem ersten Ehrenbürger ernannte. Bis zu seinem Lebensende sammelte Bram, der Mitglied im Münchner und im Rosenheimer Kunstverein war, weiter. Die Grundsteinlegung für das heutige Galeriegebäude konnte er noch erleben, er starb zwei Monate später, im Oktober 1935.
Der lange Weg zum Bildnis
Drei Jahre vor seinem Ableben saß Max Bram dem Münchner Maler Leo Samberger, einem vor allem seiner Porträts wegen geschätzten Künstler, in mehreren Sitzungen Modell. Bram und Samberger kannten sich, der Oberlehrer hatte bereits 1908 zwei Arbeiten des Malers für seine Sammlung erworben.[2] Der Rosenheimer Kunstverein gab das Bildnis bei Samberger in Auftrag, um sein Ehrenmitglied und den Stifter der Städtischen Gemäldesammlungen zu würdigen.
Nach Fertigstellung des Bildes weigerte sich Max Bram, das Porträt in seiner Sammlung im damaligen Galeriegebäude, der ehemaligen Michaelskapelle, zu zeigen. Es gab dort bereits ein Bildnis des Kunstsammlers, gemalt 1929 von seinem Freund, dem Maler Emil Thoma (1869-1948).
Wie Hans Faußner in seiner kleinen Abhandlung über „Die Rosenheimer Galerie“ festhielt: „versagte [Bram] seine Zustimmung dazu, daß das Bild zu seinen Lebzeiten in der Galerie aufgehängt werde mit der Begründung, daß er die Galerie sehr oft besuche und dabei sich nicht immer im Bilde sehen wolle. So etwas tue man nicht, solange man noch lebt.“[3] Möglicherweise gefiel Bram auch das von Emil Thoma gemalte Bild besser. Es ist in der Farbgestaltung lebendiger und in der Malweise moderner, zudem erscheint der Porträtierte, obwohl zwischen den Entstehungszeiten beider Bilder nur knapp drei Jahre liegen, um einiges jünger und agiler.
Dauerleihgabe an die Städtische Galerie Rosenheim
Um das Bild Sambergers entsprechend zu würdigen, brachte man es im Amtszimmer des Oberbürgermeisters unter, immerhin handelte es sich um das Konterfei des ersten Ehrenbürgers. Allerdings bewies man bei der Platzwahl kein gutes Händchen. Das Bild hing zwar an prominenter Stelle, jedoch in der Nähe eines Ofens. Faußner berichtet anekdotisch hierzu:
„Die maßgebende Stelle wurde in schonendster Weise darauf aufmerksam gemacht, daß man einen Platzwechsel des Bildes vornehmen müsse. Es war aber vergebens. Der Platz sei der beste, habe allgemeine Anerkennung gefunden, nur hier käme das Meisterwerk voll zur Geltung. Und das >bißl< Wärme schade so einem Bilde bestimmt nichts. Im Januar 1933 war das Porträt schon sichtbar >verzogen<. Diesem Unverständnis gegenüber konnte man nicht mehr länger untätig bleiben. Ein Gutachten Sambergers mußte eingeholt werden. In äußerst vorsichtiger Weise wurde der Meister zunächst von dem Grunde in Kenntnis gesetzt, weshalb das Bild noch nicht, wie abgesprochen, in der Galerie hänge, wobei betont wurde, daß es einen ganz ausgezeichneten Platz im Amtszimmer des Oberbürgermeisters bekommen habe, aber leider in der Nähe des Ofens. Der Herr Professor werde deshalb um seine Meinung gebeten, ob die Ofennähe vielleicht dem Bilde schade. Am 31. Januar 1933 kam folgende Antwort: >Ofenhitze aus zu großer Nähe ist selbstverständlich für Bild und Rahmen schädlich und gefährlich. Bilder sind ja nicht aus Gußeisen oder ähnlichen unempfindlichen Stoffen hergestellt. Es wird sich doch irgendwo ein geeigneter, einwandfreier Platz finden lassen. Der Wunsch des Herrn Oberlehrers Bram, daß sein Bild zu seinen Lebzeiten nicht der Galerie einverleibt werden dürfe – davon war s. Zt. Nicht die Rede – befremdet mich etwas und wirkt die Begründung, da laut Katalog ein Porträt von ihm sich in der Sammlung befindet, nicht gerade überzeugend. < Dieser Brief hatte die gewünschte Wirkung. [….] So wurde denn auch anläßlich der Frühjahrsausstellung des Kunstvereins 1933 im Rahmen einer kleinen Feierstunde das Porträt der Galerie als dauernde Leihgabe des Kunstvereins übergeben.“[4]
Text: Elisabeth Rechenauer M.A.
Städtische Galerie Rosenheim, Depot. Inventarnummer 323.A
Künstler: Leo Samberger (1861 Ingolstadt – 1949 Bayrischzell)
Titel: „Bildnis Max Bram“
Datierung: 1932
Technik: Öl auf Karton
Maße: 76,5 x 63,5 cm (88 x 74 cm incl. Rahmen)
Erwerb: Dauerleihgabe des Kunstvereins Rosenheim an die Städtische Galerie Rosenheim, Stiftung Max Bram