Die 1957 in München geborene Künstlerin Adidal Abou-Chamat ist eine Gratwanderin, eine Wanderin zwischen den Kulturen.
Selbst in zwei unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen – der Vater ist Syrer, die Mutter Deutsche-, lotet sie in ihren Installationen, Video- und Fotoarbeiten Grenzerfahrungen, Schnittstellen zwischen vermeintlich Wohlvertrautem und Fremdartigen aus. Nicht selten hat die Künstlerin solche Grenzerfahrungen kultureller Identitäten und vermeintlicher „No-Gos“ selbst erlebt und lässt sie in ihre Arbeit einfließen. Wie formieren sich Identitäten, Zuschreibungen, Erwartungen und deren Brechungen? Subversiv, mit ironischem Ansatz untersucht Adidal Abou-Chamat rassistische und sexistische Realitäten, bricht sie und ermöglicht so neue Perspektiven. Durch Konfrontation, Provokation und kritisches Hinterfragen verschieben sich kulturell vorgegebene Grenzen; die Sichtbarmachung von Stereotypen, Zuschreibungen und Tabus schafft neue Denkanstöße, andere Betrachtungsweisen.
Die Fotoarbeit „Skin-deep“, zeigt das Halbporträt einer dunkelhäutigen Frau. Frontal blickt sie ihrem Gegenüber in die Augen. Ihr Gesichtsausdruck ist ernst, geradezu traurig. Das Haar trägt sie glatt, es wirkt perückenartig übergestülpt. Weder geben die Kleidung, ein ärmelloses Top, noch der einfarbig blaue Hintergrund weitere Informationen über die Person, ihre Position, ihren Beruf. Mit der linken Hand, über die ein Latex-Handschuh in heller Farbe gezogen ist, berührt die Frau ihren Hals. Mit angedeuteten Fingernägeln, Falten an den Fingergelenken, detailgenauen Ausformungen eines Handrückens ähnelt der Handschuh der Hand einer hellhäutigen Person. Wünscht sich diese Frau, in eine andere, „weiße“ Identität zu schlüpfen, mit heller Haut geboren worden zu sein? Verrät ihr trauriger Blick, wie sehr sie rassistischen Vorurteilen ausgesetzt ist? Oder deutet sie mit dem Griff an den Hals an, wie sehr sie durch Ressentiments und alltägliche Ausgrenzungen auf Grund ihrer natürlichen Hautfarbe in ihrem Leben eingeschränkt, verletzt, ja geradezu gewürgt wird? Mit „Skin-deep“ hinterfragt Adidal Abou-Chamat einmal mehr Vorstellungen und Rollenbilder westlicher Gesellschaften, ihre Stigmatisierung und Marginalisierung andersartiger Identitäten.
Städtische Galerie Rosenheim, Depot. Inventarnummer 5204
Text: Elisabeth Rechenauer, M.A.