Rainer Dillen, "Vogelbrunnen", 1985
Da der vorgesehene Aufstellungsort auf dem Max-Josef-Platz schon vergeben war, wurde der Platz gegenüber dem Haupteingang der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus gewählt.
Der Brunnentrog samt Käfigsockel wurde nach dem Entwurf des Künstlers in einem Steinmetzbetrieb hergestellt. Den Vogel und seinen Käfig modellierte Rainer Dillen für den Bronzeguss selbst. Der Käfig steht erhöht auf einem Steinsockel, das offene Türchen beschreibt den Weg des Vogels in die Freiheit. Mit leicht ausgebreiteten Flügeln scheint er soeben auf dem Wasserhahn des Brunnens gelandet zu sein, um daraus zu trinken. Das tatsächlich aus dem Rohr fließende Wasser verleiht der Skulptur den Reiz des Lebendigen. Die schlichte architektonische Gestaltung von Brunnentrog und Käfig jedoch verhindert – ebenso wie die markant abstrahierende Gusshaut auf der Bronze – einen allzu realitätsnahen, erzählerischen Charakter.
Das Festhalten dieses flüchtigen Moments zwischen Gefangenschaft und Aufbruch macht den Brunnen zu einem kleinen Monument der Freiheit, im Sinne des Künstlers auch zu einem Symbol für „Leben und leben lassen“. Am Haupteingang einer Kirche erinnert dieses Thema insbesondere an das Recht eines jeden Menschen auf seinen eigenen Glauben.
Die Aufstellung am ursprünglich nicht vorgesehenen Platz erweiterte das Werk damit um einen wertvollen Aspekt. Das fragile Vögelchen war im Laufe der Jahre zweimal Ziel zerstörerischer Attacken. Beim ersten Mal war es samt Ausflussrohr verschwunden. Das Oberbayerische Volksblatt veröffentlichte damals eine von Rainer Dillen extra angefertigte Zeichnung. Einem aufmerksamen Polizeibeamten fiel kurze Zeit später in der Wohnung eines Rosenheimers, den er dienstlich aufsuchen musste, der Vogel auf. Er hing dort an der Wand, und der Beamte erinnerte sich an die „Vermisstenanzeige“ in der Zeitung. Der Wohnungsinhaber behauptete, das Bronzeteil geschenkt bekommen zu haben, gab den Vogel aber heraus, so dass er an seinen angestammten Platz zurückkehren konnte.
Beim zweiten Mal blieb er verschwunden. Rainer Dillen fertigte ihn neu. Der kleine Bronzevogel ist heute ein wenig kräftiger als bei der Aufstellung des Brunnens 1984, wirkt aber immer noch spielerisch.
Der Künstler:
Rainer Dillen, geboren 1938 in Kolbermoor als Sohn des in Rosenheim-Fürstätt wohnenden holländischen Malers Peter Martinus Dillen. Lehre als Tiefdruckretuscheur und Zeichenabendkurse in München. Seit 1960 in Rosenheim als freischaffender Maler und Grafiker tätig, ebenso als Bühnenbildner, Karikaturist und Grafiker für das Kabarett „Das Bügelbrett“ sowie später für das „Theater Rosenheim“. 1968 Kulturförderpreis der Stadt Rosenheim. Der Künstler verstarb 2020.